5 ein bisschen konträre Gaming-Vorsätze für 2023

Nichts wie raus aus der Mitte der Gesellschaft!

5 ein bisschen konträre Gaming-Vorsätze für 2023
Galaxy Brain Take incoming.

Spiel nichts durch, wenn es sich vermeiden lässt

Elden Ring war eine der besten Spiele-Erfahrungen, die ich seit Jahren hatten. Dass ich Elden Ring kritikfreier als viele Freund*innen genießen konnte lag wohl daran, dass ich's trotz ~100 Stunden Spielzeit nicht durchgespielt habe. Denn nach allem was ich hörte ist das Ende der schlechteste Part des besten Spiels aller Zeiten.

Warum ich's nicht durchgespielt habe, willst du wissen? Weil ich nach 100 Stunden erstklassiger Unterhaltung gar nicht das Bedürfnis danach hatte. Genauso, wie ich quasi kaum ein Spiel jemals durchspiele, erst recht die, mit denen ich 100 Stunden lang Spaß habe.

Denn egal mit wie vielen Zwischensequenzen und Tunnellevels mit fixer Laufgeschwindigkeit dich ein Spiel zuscheißt, Spiele sind ein nichtlineares Medium. Am Ende hast du Tastatur/Controller/Touchscreen in der Hand und entscheidest, was du wann und wo machst. Und wenn's dir Bock macht 100 Stunden im Startgebiet zu Grinden ist das halt auch geil.

Deshalb: Respektiere deine eigene Zeit mehr als die "kreative Vision" irgendwelcher Gamedev-Nerds und spiel Spiele nur so lange, wie's du Bock hast!

Schaff endlich deinen Gaming-PC ab

Falls du entgegen des Klischees des Gaming-Nerds nicht mehr bei deinen Eltern im Keller hockst und deine eigene Stromrechnung bezahlen musst hast du sicher mitbekommen, dass wir uns in einer Energiekrise befinden. Wie kannst du es da noch verantworten, ein Rig zu befeuern, mit dem du vor fünf Jahren noch Bitcoin-Millionär hättest werden können?

Dabei brauchst du diese Kilowatt-Schleuder ja gar nicht. Spiel doch mal wieder nice Mobilegames innerhalb der Verhältnisse deines weniger stromhungrigen iPad 5. Und Vampire Survivors und Norco laufen auch auf dem neun Jahre alten Laptop, das du dir im Semesteranfangssale beim Elektronikmarkt fürs Studium gekauft hast. Die eskalierende Grafikdekadenz von AAA-Games ist heutzutage eh gar nicht mehr zu verantworten.

Und wenn du dann doch mal wieder die Früchte des Crunch ernten willst, stream das Spiel halt bei Geforce Now oder so. Trotz des Untergangs mit Ansage von Google Stadia ist Cloudgaming nämlich praktikabler denn je. Internetverbindungen sind zumindest in Städten geil genug (sorry, Leser*innen aus Sachsen-Anhalt), du musst nur noch ausblenden, dass die Serverfarm dahinter auch nicht so ganz klimaneutral ist.

Also: Spar Strom und Platz und zock Cyberpunk 2077 einfach auf dem fünf Jahre alten Android-Tablet oder halt einfach das eh viel geilere Deus Ex.

Mach schon vor dem ersten Level die Komplettlösung auf

Von den wenigen Spielen mit einer guten Story sind einige meiner liebsten Adventures (z. B. The Shivah oder Blackwell Unbound oder Grim Fandango). Das Problem bei Adventures ist nur, dass sie anstelle eines spannenden Gameplays furchtbare Rätsel haben. Also starte ich vor der .exe schon immer die Komplettlösung auf einer halbdubiosen Guide-Webseite, damit kein bizarres "kombiniere Gummiente in U-Bahn-Schiene"-Puzzle mich vom weiterlesen abhält.

Anderes Beispiel: Dark Souls fand ich früher eher scheiße, bis ich es in einem Gruppenchat mit Freund*innen gespielt habe, deren Dark-Souls-Erfahrung ich anzapfen konnte. "Was ist die Strat für den Boss?" oder "Gibt's irgendwo eine Abkürzung?" oder "Wie cheese ich am effektivsten?" sind legitime Fragen, die mich den Spaß am Sterben überhaupt erst haben entdecken lassen.

Scheiß auf das große Mysterium des Selberlernens, du lernst ja auch eine Fremdsprache nicht indem du einen halben Tag französische Verkehrsschilder anstarrst. Es ist okay jede Komplettlösung, jeden Guide, alle Tipps aus dem Subreddit und Youtube-Tutorials zu benutzen. (Und wenn du lieber mit verschlossenen Augen am unübersehbaren Tutorial-Dungeon vorbei stolperst, auch cool, more power to you.)

Denn: Spielen soll Spaß machen und was dir Spaß macht, lässt du dir gefälligst von keinem esoterischen Gatekeeper-Blogpost vorschreiben, kapiert?!

Kauf nichts mehr im Sale und misstrau Gratis-Geschenken

Ein bizarres Konzept wie der "pile of shame" konnte nur in der Welt der Videospiele entstehen. Nur in dieser einzigartig kapitalistischen Extrem-Konsumkultur ist es möglich, sich selbst das eigene Horten von ungespielten Videospielen als Charakterschwäche vorzuhalten. Wie wär's, wenn du 2023 einfach mal weniger Scheiß kaufst, den du halt eh nie zocken wirst?

Aber klar, es ist auch einfach sich der Fomo zu ergeben, wenn Steam im Wochentakt mit neuen Rabattaktionen drohen und Epic dich mit Gratisspielen zuscheißt. Vergiss nicht, dich heute kurz für deine Gratis-Scheibe Bärchenwurst einzuloggen, alle deine Freund*innen haben schon!

Klar, der Haken beim Rabatt-Boykott ist, dass Vollpreis mittlerweile 80 Euro heißt, also etwa so teuer wie zweimal Avatar: The Way of Water mit extragroßen Nachos im IMAX ist. Aber wenn du 80 Euro für die Speciel Edition von Thief (2014), das komplette DLC-Bundle für House Flippers und irgendwelche Indiespiele, die du "schon immer mal spielen" wolltest blechst, hättest du auch gleich ehrlich sein und einfach das neueste Need for Speed kaufen können.

Und die kostenlosen Lockvogel-Angebote im Epic Store? Erst recht! Lass dir doch nicht von deren Tageskarte vorschreiben, a) wann du den höchstens drittgeilsten Gaming-Store am PC öffnet und b) was du als nächstes oben auf den Pile of Shame schmeißt. Der soll ja schließlich kleiner werden und wenn der Blackout kommt, kannst du eh nicht mit kostenlosen Downloads heizen.

Klar, das wird schwer, immerhin haben uns die Unterhaltungskonzerne mittlerweile gut antrainiert, beim reinen Anblick von Prozentzahlen schonmal die Kreditkarte zu zücken. Beim Entzug hilft da nur, beim nächsten Steam-Sale die Liste aufsteigende nach dem Preis zu sortieren und ein paar richtig unedle Trash-Perlen für 39 Cent das Stück zu kaufen.

Oder halt: Lass die Fomo in 2022, nächstes Jahr ist bewusster Konsum in!

Verlass alle Discord-Server

Der Twitter-Exodus der letzten Wochen und Monate war eine gute Gelegenheit, mal seine eigenes Social-Media-Nutzungsverhalten insgesamt zu reflektieren. Zu einer nahezu unvermeidbaren Plattform für Gamer*innen ist nämlich eine Chat-App geworden, die der nächste große GAU in the making ist.

Discord ist eine unkontrollierbare Datenhalde, die schon längst mehr ist als der etwas hübschere Teamspeak-Ersatz für den kleinen Gaming-Freundeskreis. Frage: Auf wie vielen Discord-Servern bist du? (Antwort: zu viele!)

Discord ist mit 150 Millionen Nutzer*innen, Tendenz steigend, das heiße Community-Building-Tool. Und weil diese Communities halböffentlich sind lädt das dazu ein, auch mal ein bisschen zu unhinged zu posten. Aber nur die meisten und nicht alle Server sind eben kleine Gruppenchats, sondern voller Leute, die du gar nicht kennst, voller Lurker, voller Randos.

Klar, ist ja auch kostenlos und ihr wisst, was man über kostenlose soziale Apps sagt: Du bist das Produkt!!!11 Zumindest aus der Sicht von Unternehmen wie Microsoft, die bereit waren, 10 Milliarden hinzulegen, um Zugang zu unseren Chats zu bekommen. Noch kann Discord solche Angebote ausschlagen, aber die Frage ist für wie lang.

Egal ob du deine Chatnachrichten in die Hände eines anonymen Server-Admins oder dein Gaming-Netzwerk an ein möglicherweise in der Zukunft zum Verkauf stehendes Unternehmen abgibst, eigentlich sollten wir da ein bisschen gesunde Skepsis gelernt haben.

Ich werde die Zahl meiner Discord-Server jedenfalls mindetens halbieren. Ich lurk da ja doch nur rum und streite mich gelegentlich über Bullshit wie warum Waffenabnutzung in Breath of the Wild halt ein wichtiges Gamedesign-Feature ist, man. (Nur den Server mit meinen Freund*innen aus der Schulzeit behalt ich, mit wem soll ich mich sonst für kooperatives Darktide und Phasmophobia verabreden?)

Heißt: Spiel lieber mit ein paar guten Freund*innen, als dich mit Internet-Randos zu streiten!